Thursday, August 10, 2017

Kei + Colin XCIII: Unsichtbarer Wachhund


Drei Wochen später.

Kei hatte eine kleine Wohnung bezogen. Sie hatte nur ein Zimmer und lag am Rand des Stadtkerns von Inverness. Von dort aus brauchte er nicht sehr lange zu Colins Internat. Er hatte einen Job in einem Plattenladen gefunden, bei dem er unter der Woche vormittags arbeiten konnte, wenn Colin in der Schule war und es äußerst unwahrscheinlich war, dass jemand ihn umzubringen versuchte. Den Großteil seiner Zeit verbrachte er damit, aus der Ferne auf Colin aufzupassen. Sobald dieser einen Fuß vor die Tür setzte, wusste Kei, wo er war.
An einem Samstag gegen fünf Uhr morgens machte Kei einen Spaziergang um das Internatsgelände. Wie er festgestellt hatte, waren um diese Uhrzeit dort so gut wie nie Menschen unterwegs. Die frühesten Aufsteher waren an schulfreien Tagen die Sportler, und auch die zeigten sich samstags nie vor sieben Uhr.
Colin war die einzige Ausnahme. Er schlief nicht jede Nacht, und wenn, dann nur wenige Stunden lang. Diesen Umstand versteckte er relativ erfolgreich, indem er wartete, bis sein Zimmergenosse Brian eingeschlafen war, bevor er mit einer kleinen Taschenlampe unter seiner Decke las oder schrieb. Frühmorgens, wenn es nicht mehr verboten war, das Haus zu verlassen aber die meisten noch in ihren Betten lagen, machte er Spaziergänge. Dabei verließ er aber nie das Gelände. Er war schließlich von Dennis und Rupert gebrieft worden und wusste, dass er vorsichtig sein musste. Er durfte zwar mit anderen Schülern nach Inverness fahren, aber das war bisher noch nicht vorgekommen. Er hatte noch keinen Anschluss gefunden.
An diesem Samstagmorgen, eine gute Woche vor Beginn der Weihnachtsferien, hatte er sich dick angezogen und einen zusammengerollten Notenhefter eingesteckt, um im Freien im frostigen Gras hinter dem Raucherfelsen ein paar Lieder zu üben und vielleicht, wenn er geduldig genug war, den Sonnenaufgang anzuschauen. Im Moment war es noch stockfinster.
Der Raucherfelsen war eigentlich eine handvoll großer, kantiger Findlinge, die in einer Mischung aus Gestrüpp und Birkenschonung zwischen den Sportplätzen und einem großen Teich lagen. Zwischen ihnen und dem Pfad entlang des nächsten Platzes lag eine Wiese, und auf der anderen Seite gab es einen seichten Abhang mit trockenem Gesträuch und hohen Gräsern bis zum Teichufer. Auf dieser Seite kletterte er auf den niedrigsten Felsen, sodass er einen größeren im Rücken hatte, und setzte sich dort im Schneidersitz hin.

Kei schlenderte halbwegs warm angezogen, um nicht zu sehr aufzufallen, um das Gelände herum. Das Internatsgelände war um diese Uhrzeit immer angenehm ruhig. Er war froh darüber, dass hier so früh niemand war, denn irgendwer würde es merkwürdig finden, dass er dort war. Ein fremder Typ aus Asien, der rauchend im Dunkeln um das Gebäude schlenderte, ohne wirklich irgendetwas zu tun, musste zumindest einigen komisch vorkommen.
Er kannte das Internatsgelände zwar, das er sich nachts mal angesehen hatte, betrat es aber nicht, um nicht entdeckt zu werden. In seinem rechten Ohr steckte ein Stöpsel der Kopfhörer seines mp3-Players.

Colin sah auf seine Uhr und begutachtete den Himmel um abzuschätzen, wie lange es noch dunkel bleiben würde. Eigentlich war es egal. Er konnte jederzeit im Kalender nachsehen, wenn er die Sonnenaufgangszeit genau wissen wollte. Augenblicklich ging es ihm nur um die Stille, die hier gerade so schön vollständig und geisterhaft war. Er zog seinen Hefter heraus und las das gälische Lied, das er üben wollte, um sich zu vergewissern, dass er wenigstens die ersten beiden Strophen drauf hatte. Es war Irisch und nicht Schottisch, also fiel ihm der Text nicht so leicht in den Schoß. Er legte den Hefter offen vor sich auf den Felsen, um die Noten zu verfolgen, und begann zu singen.

Auf dem nicht mit Musik belasteten Ohr hörte Kei eine leise Stimme. Colin. Der schien öfter sehr früh aufzustehen. Er verstand nichts davon, was Colin von sich gab. Zum Einen, weil es so leise war und zum Anderen, weil es eine Sprache war, die er nicht kannte. Kei ging in die Richtung, die ihn näher an Colin heranbringen würde. Um das Internatsgelände herum gab es nicht viele Hindernisse. Nur viel Natur, die Straße nach Inverness und ein paar Spazierwege.
Zwischendurch stockte Colin etwas und wiederholte einige Worte, weil er sich der Aussprache nicht sicher war und sie ihm selbst wie Kauderwelsch vorkamen. Aber er machte keine Pause und sang das Lied so lange und so oft durch, bis er es zweimal nacheinander fehlerfrei und mit jedem Melodieschnörkel, den er drin haben wollte, durchgesungen hatte. Wie alles Gälische klang es ziemlich pathetisch und geisterhaft, aber dabei auch ein bisschen wie ein Kinderlied.
“... Sa bhfómhar seo chugainn 'sea dhófam púirt le glór an Údar Naofa, Beidh Seoirse dubhach gan choróin, gan chlú gan sólas boird, gan féasta. Ólfam lionn is beoir le fonn, 's comhsheinnfeam tiúin don Ghaeilge...“ Er blickte nicht von seinen Noten auf, bis er bei seinem zweiten Durchgang war und meinte, es auswendig zu können.
Kei saß mittlerweile auf einer Bank und hörte Colin zu. Da er am Samstag nicht arbeiten musste, würde er den ganzen Tag in dieser Gegend herumstreifen und Colin aus der Ferne beobachten. Er suchte zeitgleich nach einer Möglichkeit, ihm zu sagen, dass er nicht weit weg war, ohne dabei gesehen zu werden, oder irgendwie aufzufallen.
Als Colin das unaussprechliche Lied endlich so durchgesungen hatte, wie er es haben wollte, war er beinahe heiser und gönnte sich erstmal einen langen Atemzug, ehe er sich gegen den Fels hinter sich lehnte. Er hatte sich wirklich auf die Schule gefreut. Auf alles, was damit zu tun hatte. Aber irgendetwas stimmte nicht. Er stopfte seine Zeit so gut es ging mit Schularbeiten und Musik voll, aber die Nächte waren so verdammt lang und leer. Und er schien bei den anderen irgendwie anzuecken, aber er verstand nicht genau, was er falsch machte. Oder ob es überhaupt an ihm lag. Er verstand auch nicht, warum ihm das etwas ausmachte. Er war die meiste Zeit seines Lebens allein gewesen und hatte sich auch einsam gefühlt, aber nie, wenn er wirklich ständig von Menschen umgeben gewesen war. Er zog die Beine an und legte die Arme auf die Knie, dann seinen Kopf darauf.
Kei begann, durch die Ereignislosigkeit, sich zu langweilen. In den gesamten drei Wochen, in denen er sich einigermaßen eingelebt und orientiert hatte, war nichts, aber auch gar nichts spannendes passiert. Kei begab sich leise auf das Gelände und näherte sich dem Steinhaufen bei dem Colin herumsaß, blieb jedoch zwischen den Sträuchern und Bäumen stehen, die ihn so verdeckten, dass man ihn vom Gebäude aus auch mit einem Fernglas mit Nachtsichtfunktion nicht sehen konnte. Es war noch immer dunkel.
“Du siehst nach Ablenkung aus.“ sagte er gerade laut genug, dass Colin ihn hören konnte.
Colin schauderte.
Ich hör schon Stimmen, haha. Er schmunzelte in seinen Unterarm und fragte sich, ob er kurz eingenickt war und die Stimme geträumt hatte, oder ob er gerade wahnsinnig wurde und es vielleicht in den verlorenen Jahren genauso angefangen hatte. Bis Dennis dann seine Festplatte formatieren musste. Aber so war es doch ganz nett. Wenn Kei schon nicht wirklich da war... Dann kann ich ihn mir wenigstens einbilden.
“Ignorierst du mich?“ Kei schmunzelte ein bisschen. Er konnte schlecht ganz aus seiner Deckung herauskommen, aber Colin müsste ihn sehen können, wenn er den Kopf mal heben würde. Aber vielleicht auch nicht. Es war dunkel und Kei trug, welch Überraschung, schwarze Kleidung. Colin hob den Kopf und guckte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Vielleicht war es doch nicht Kei. Er klang nur nach ihm. Er konnte eine schwarze Gestalt mit einem weißen Schemen auf der Höhe des Kopfes sehen. An ein paar Stellen blinkte sie leicht. Und das weiße Gesicht hatte glühende Augen. Colin musste ungläubig lächeln.
“Wenn mich jemand sieht, reißt Dennis mir den Kopf ab. Kriegst du Stress, wenn du um das Gelände herumspazierst?“ Kei blieb, wo er war. Man konnte nie wissen, ob nicht vielleicht doch Leute wach waren. Colin schüttelte den Kopf. Niemand erwartete, dass die Schüler um diese Zeit wach, geschweige denn draußen waren. Er öffnete den Mund und klappte ihn gleich wieder zu. Er stand auf, ging zur Kante des Felsens und sprang raschelnd in den vertrockneten Busch darunter. Kei lachte ein bisschen und ging zurück zum Zaun, der das Internatsgelände vom Spazierweg und der Natur dahinter trennte. Er ging einfach davon aus, dass Colin ihm folgen würde. Schließlich ging er langsam.
Das tat er auch, unter Knistern und Rascheln. Während Kei ihm vorausging, beinahe aus seiner eingeschränkten Sicht in das tintenfarbene Geäst schmolz und dabei seiner Meinung nach kaum Geräusche machte, fragte Colin sich wieder, ob er sich Kei nicht doch einfach nur einbildete. Er folgte ihm dennoch auf den Trampelpfad.
Der Zaun war relativ hoch, damit die Schüler ihn nicht als Ausgang verwendeten, oder Besuch als Eingang. Kei blieb vor dem Zaun stehen und wartete auf Colin. “Wie ist das Internatsleben bisher?“ fragte er neugierig. Schließlich kannte er nur die eine Schule in Tokyo. Colin nahm sich noch ein paar Sekunden, um Kei unverhohlen anzustaunen, als er nun erst akzeptierte, dass er echt zu sein schien, und sich alle damit zusammenhängenden Fragen auf einmal stellte.
“Wieso bist du hier?“ fragte er verwundert, während er sich etwas hinunterbeugte, um sich die Hosenbeine abzuklopfen.
“Mein Job hat mir ein bisschen freie Zeit gegönnt und da dachte ich, dich zu besuchen, wäre eine gute Idee.“ Kei nahm Colin ungefragt halb in den Arm und machte einen Satz über den Zaun. Auf der anderen Seite ließ er ihn wieder los.
“Holy-“ Entsetzt klammerte Colin sich an Keis Jacke fest.
Kei schmunzelte. “Ich sollte das öfter machen.“
Colin sah zu ihm auf und dann sofort verlegen auf seinen Kragen. Er lockerte seinen Griff, ließ ihn aber nicht los. Hey, Kei hatte angefangen, es bestand also keine Gefahr dass er sich damit die Blöße gab, dass er den Vampir weiter festhielt.
Kei lächelte. “Hast du schon Internatsdramen hinter dir? Die James-Bondhaftigkeit blieb meinem Job bisher fern.“ Er ließ seinen Arm, wo er war. Um Colin gelegt.
“Nicht so richtig. Ich kriege nicht viel von den anderen mit. Aber... anscheinend bin ich einer unangenehmen Begrüßungszeremonie entgangen.“
“Wie hätte die ausgesehen?“
“Weiß ich nicht. Sie hat ja nicht stattgefunden.“ Colin verzog nachdenklich das Gesicht. “Mir wurde vor ein paar Tagen erzählt, dass Brian die Jungs an der Zimmertür abgewimmelt hat, als sie dachten, dass ich schlafe - das habe ich auch mitgekriegt - aber jetzt weiß ich erst, warum. Und was er ihnen gesagt hat.“ Er schmunzelte etwas. “Er hatte wohl ein schlechtes Gewissen, weil ich kleiner bin als... eigentlich fast alle.“ Er grinste.
“Komischer Grund für ein schlechtes Gewissen.“ Kei schmunzelte. “Du solltest Dennis nicht erzählen, dass ich hier war, wenn er fragen sollte. ... Hat er dir nicht gesagt was das für ein Ritual gewesen wäre?“ Kei wollte das wirklich wissen.
Colin schüttelte langsam den Kopf. “Ich habe nicht gefragt. Er schien anzunehmen, dass ich das schon wüsste. Oder es mir vorstellen kann. Ich wollte nicht ignorant aussehen.“ Er studierte Keis Gesicht, oder vielmehr hauptsächlich seine Augen, die in diesem fahlen Licht sehr interessant aussahen. “Du solltest dir mehr Sorgen um meinen Wachhund machen. Der wird schon petzen, wenn er dich nicht gleich selbst an den Ohren nach Lancaster zurückzieht.“
“Ach was. Vielleicht besteche ich ihn, wenn er Dennis petzen will, dass ich hier war. Der soll lieber aufpassen, dass dir nichts passiert.“ Kei schmunzelte amüsiert. Er hatte keine Ahnung, was Dennis Colin erzählt hatte.
“Wenn er seinen Job richtig macht, sollte er ungefähr jetzt angebraust kommen und mich von dir wegzerren,“ sagte Colin mit einem gemeinen Grinsen. Kei schmunzelte weiter.
Dennis hat dir da was verschwiegen. “Du kannst mich auch mal,“ sagte er scherzend.
“Ich kann dich was?“ stichelte Colin.
“Gern haben kannst du mich.“
“Okay.“ Colin grinste immer noch. Und guckte dann zur Seite, während ihm das Grinsen halb herunterfiel. “Gott, ich bin so blöd.“
“Was hast du angestellt?“
Man konnte den Groschen fallen sehen. Und hören. Colin benutzte Keis Schulter, um sich daran strafend die Stirn zu hauen. “... Du bist der Wachhund,“ stöhnte er. Kei grinste leicht.
“Wieviel hat Dennis dir erzählt?“
“Nur, dass er jemanden hergeschickt hat, der mich unsichtbar bewachen soll.“
“Unsichtbar ist auf Dauer langweilig,“ sagte Kei.
“... Stimmt.“ Kei roch gut.
“Ich hab hier beim Langweilen und Aufpassen einen netten Ort gefunden, wo man die Sonne beim Aufgehen sieht.“ Kei hatte schließlich Zeit, die er in der Gegend morgens und nachmittags verbrachte. Colin lächelte Keis Kragen an.
“Lass mich raten. Osten.“
“Aber nur ein bisschen. Es gibt hier eine Lichtung mit Bänken. Morgens ist da niemand.“ Er schlug den Weg zu der kleinen Lichtung ein. Colin ließ ihn los, um mitzugehen.
Er versucht, romantisch zu sein! Und er ist hier! Irgendwas in ihm hüpfte jubelnd auf und ab.
Tatsächlich waren da nur ein paar Bänke mit einer schwachen Laterne in der Mitte und keinerlei Menschen. Colin schlenderte an den Rand des Lichtkegels vor eine Bank und wandte sich dem Horizont zu. Von hier aus konnte man auch den Teich sehen, an dem er eben noch gesessen hatte. Kei setzte sich auf die Bank, sodass er schräg hinter Colin saß und der Lichtkegel ausreichte um ihn ein bisschen zu beleuchten. Er folgte Colins Blick. Es war gut, den Kleineren nach der langen Weile wieder um sich zu haben, auch, wenn das nicht sehr lang sein würde.
Ich habe dich vermisst.“ “Schön, dass du hier bist.“ “Warum hat das so lang gedauert?“ Hm. Colin drehte sich um und trat dicht vor Kei, dann zögerte er und entschied sich dafür, sich doch lieber einfach hinzusetzen. Kei kommentierte das nicht. Er drehte sich zu Colin und küsste ihn. Er hatte ihn wirklich vermisst.
Sein Herz hüpfte, als er den Kuss überrascht erwiderte. Kei lächelte. Er war zwar daran gewöhnt, den Herzschlag von Menschen zu hören, aber Colins veränderte sich dauernd. Das war etwas anderes. Aber es war gut. Colin war wirklich lebendig, zumindest, wenn Kei anwesend war. Kei selbst konnte das nur zeitweise von sich behaupten. Colin müsste aber noch untot sein, wenn der Vampir nicht anwesend war.
“Du bist warm,“ murmelte Colin und zog seinen Schal auf.
“Deine Schuld.“ Keis Jacke war offen. Darunter trug er eine zweite um den Eindruck zu vermitteln, dass er wusste, dass es draußen kalt war.
“Was habe ich damit zu tun?“ Colin musste fast lachen. Er behielt sein Gesicht dicht bei Keis. Diese Augen.
“Ich bin klinisch tot, wenn du nicht da bist. Also fast. Nicht ganz.“ Kei lächelte ein wenig. Im Schein der Laterne konnte Colin das gut sehen.
“Jetzt trägst du aber richtig dick auf,“ sagte Colin leise. Aber sein Lächeln sah richtig verträumt und glücklich aus.
“Pfff,“ entgegnete Kei schmunzelnd und nahm Colin halb in den Arm.
Jetzt könnt ichs sagen... dachte Colin bei sich.
Was? dachte Kei neugierig.
Colins Augen weiteten sich etwas und er schmunzelte verlegen. Kei hatte den Mund nicht bewegt und seine Stimme hatte wie ein Flüstern in einer großen Kirche in seinem Hinterkopf geklungen.
“Nichts.“ Eilig küsste er Kei. Das dann aber langsam und sanft.
Bevor Kei sich wirklich darüber wundern konnte, warum Colin wusste, was er gedacht hatte - was so nicht geplant gewesen war - erwiderte er den lächelnd.
“Warum bist du erst jetzt aufgetaucht?“
“Ich musste eine passende Gelegenheit abwarten, in der ich nicht von jemandem außer dir gesehen werde - was nicht einfach ist, bei dem Haufen von Menschen, die hier täglich ein- und ausgehen.“
“Morgens um vier, immer hier,“ reimte Colin mit einem bestimmenden Nicken.
“Finden die das unter der Woche heraus, wenn abhaust? Es sind ja nicht gar keine Aufsichtspersonen hier.“ Kei wusste mittlerweile fast auswendig, wer wann im Internat war und wer am frühesten aufstand und als letztes wieder ging. Manchmal saß er die ganze Nacht in der Nähe herum. Zeit in seiner Wohnung verbrachte er meistens nur zwischen dem sehr späten Abend, wenn die Schüler nicht mehr heraus durften und dem Morgen bevor er nachsehen ging, ob sich etwas getan hatte. Danach ging er arbeiten und den Rest des Tages verbrachte er in Internatsnähe mit Auge auf Colin, sobald der das Gebäude verließ.
Colin zuckte mit den Schultern. “Wenn es jemandem auffallen sollte, mache ich nur einen extrem frühen Spaziergang. Soll vorkommen. Man wird mir schon nicht hinterherlaufen. Was soll ich denn nach vier noch anstellen? Es fährt kein Bus mehr, keine Kneipe ist mehr auf...“ Er gestikulierte.
“Da dürftest du Recht haben.“ Man kann einiges nach vier Uhr morgens anstellen...
“Und da ich sowieso kaum Schlafbedarf habe, werde ich deswegen nicht im Unterricht einschlafen.“
“Dass du im Unterricht schlafen könntest, wäre nicht meine Schuld.“
“Neeein, nichts ist deine Schuld. Du bist an allem unschuldig, wie ein kleines Lämmchen...“ Tatsächlich hatte Colin in seinen langen Nächten oft Kei die Schuld für seine Schlaflosigkeit in die Schuhe geschoben, obwohl er genau wusste, dass er mit oder ohne ihn in seinem Kopf nicht müde genug wäre.
Kei lachte. “Natürlich. Ich bin die Unschuld in Person.“
“Ein harmloses Häschen!“
Kei prustete beinahe los.
“Ein argloses Hundebaby!“ Colin schaute mit einer graziösen Handbewegung, die einer zierlichen Debütantin würdig gewesen wäre, verzückt in die Luft.
“Du siehst grad aus wie ein Prinzesschen,“ informierte Kei ihn grinsend.
“Ein was bitte?!“
“Ne Disneyprinzessin. “
Colin stirnrunzelte ihn amüsiert an. “... Gibts da noch einen merkwürdigen Fetisch, von dem ich wissen sollte?“
“Keinen, der etwas mit Disneyprinzessinnen zu tun hat.“
Colin lachte. “Okay, ich höre...“
“Das verrate ich dir wann anders, okay?“
“Na gut, jetzt weiß ich ja schon einen,“ sagte Colin mit einem gemeinen Schmunzeln und rieb sich augenbrauenwackelnd das Kinn.
“Sicher, dass du das weißt?“ Kei grinste ein bisschen. Nein, es sind keine Prinzessinnen... Aber nicht sehr weit weg davon.
Colin winkte eingebildet ab und lehnte sich auf der Bank zurück. “Du stehst auf mich, ich sehe aus wie ein Prinzesschen... also stehst du auf Prinzessinnen. Simpel.“ Er zuckte mit den Schultern. “Das Kleid, in dem ich aufgewacht bin, ist ein sehr guter Anhaltspunkt.“
Kei lachte. “An dem war ich unschuldig. Ich schwöre.“
Dass du unschuldig bist, hatten wir schon geklärt, entspann dich,“ sagte Colin beschwichtigend.
Das glaubst du mir doch eh nicht.“ Er schmunzelte und bekam von Colin einen süffisanten Seitenblick, der im Ansatz ein wenig mitleidig aussah. Außerdem schüttelte er fast unmerklich langsam den Kopf. “Ich weiß nicht, wer genau auf die Idee kam, dich als Mädchen zu verkleiden... das war übrigens an dem Tag an dem Dennis dein Gedächtnis gekillt hat, aber Dennis kam bei uns an und sagte, wir würden unten erwartet und dann kam das dabei heraus.“ Er machte eine Pause. “Ich musste im Anzug aufkreuzen.“
“... Also ist das nicht dein Fetisch... dann bist du mir jetzt noch einen schuldig.“
“Einen Fetisch?“
Colin nickte. “Irgendwas, das dich anmacht. Bei dem du sagst: Oh yeah... essbar,“ sagte Colin mit einem anzüglichen Augenbrauenwackeln.
“Essbar ist vieles.“ Das bedurfte weiterer Eingrenzung.
“Du weißt, was ich meine,“ sagte Colin augenrollend.
“Ja, weiß ich.“ Kei überlegte kurz. “Etwas weniger Disneyprinzessin, also ohne Rosa und Glitzerzeug.“
Colin lächelte ihn strahlend aber auch irgendwie gemein an. Er öffnete und schloss den Mund. “... Ah.“
“Du planst bestimmt irgendetwas.“ Kei schmunzelte.
“You know it.“
Er wusste nicht, was Colin vorhatte, aber das Gefühl, dass da etwas auf ihn zukam, wollte nicht verschwinden. “Ich lass mich überraschen.“
“Gut.“ Colin stützte sich auf die Knie und schmunzelte Kei schelmisch an. “Willst du auch einen von mir wissen oder wähnst du dich voll informiert?“
“Schieß los.“
“Well... considering I didn't even know I was gay until a few weeks ago... I think I like bad boys.“
“Well, I did know that.“ Kei grinste.
“Pff...“ Colin schmunzelte noch, sah nun aber auch ziemlich verlegen aus.
Keis Grinsen blieb, wo es war. “Das wäre sonst damals anders verlaufen. Wahrscheinlich hättest du mich für so manches geschlagen.“
“Was, wofür?“
“Für Zeug, das ich gemacht habe. Die Dinge auf dem ersten Konzert auf dem wir waren zum Beispiel.“
“Okay...“ Colin rutschte herum und schlug ein Bein unter, um Kei erwartungsvoll direkt anzusehen. “Was hast du gemacht?“
“Es gab ein halbes Techtelmechtel auf dem Klo, nachdem ich dir dahin hinterhergegangen war.“
Colin runzelte die Stirn, als er versuchte, sich das auszumalen. “Du bist mir aufs Klo nachgelaufen?“
“Mir war danach. Ist eh niemandem aufgefallen. Nüchterne Menschen gab es da nicht mehr viele.“
“Da waren wir schon zusammen? Klingt aufregend, aber nicht wahnsinnig unanständig.“
“Ehm, nein. Waren wir nicht. Wir sind uns aber ab und zu begegnet... und dann ist sowas passiert.“
Colin machte ein fröhliches 'Ooh'-Gesicht und grinste. “Ich bin ja richtig abenteuerlich gewesen.“
“Es ist jede Menge Zeit für andere Abenteuer mit denen du dein Gedächtnis füllen kannst.“
“... Wie zum Beispiel jetzt?“ Colin hätte sich selbst ohrfeigen können. So wie sein Lächeln sich anfühlte, musste er doch grenzdebil aussehen. Jedenfalls konnte es nicht mal im Ansatz attraktiv wirken, wie er augenblicklich ranging. Er war zwar nicht der einzige, der hier mächtig flirtete, Kei trug einen wesentlichen Teil dazu bei, aber... der war dabei auch so wahnsinnig geschmeidig.
Es fehlt noch das Abenteuer, das der Bezeichnung gerecht wird,“ sagte Kei mit Blick auf den Himmel gerichtet, der noch immer dunkel war. Bald würde die Sonne damit anfangen aufzugehen.
Darauf wusste Colin nichts zu entgegnen. Er lehnte sich nur zurück und stellte die Füße vor sich auf die Bank, klemmte seine Hände zwischen seine Beine und guckte ebenfalls über das Wasser und die Bäume. Lächelnd lehnte Kei sich leicht gegen Colin und betrachtete weiter den Himmel, über dem, anders als Kei es aus Tokyo kannte, man tatsächlich Sterne sehen konnte.
“In Tokyo wurde es nie ganz dunkel.“
Colin schüttelte sachte den Kopf. “Nachts war der Himmel da oft rot und lila. Hier ist er meistens blau und schwarz.“
“Hier kannst du die Sterne sehen. Sogar von meiner Wohnung aus. Das ging da nicht.“
“... Mein Opa kennt alle Konstellationen,“ sagte Colin leise. “... Oder er tut nur so. Jedenfalls kann er dir zu jedem Stern was sagen.“ Er kratzte auf seinem Knie herum, während er sich fragte, ob der alte Mann überhaupt noch lebte.
“Ich habe mal versucht, sie zu zählen. Hat nicht geklappt,“ sagte Kei. Es gab tatsächlich Momente, in denen Kei so etwas tat wie Sterne zählen, wenn ihm entweder langweilig oder - nein, das passierte nur, wenn er Langweile hatte. Oder warten musste.
Colin lachte leise. “Natürlich nicht. Es gibt mehr als zehn.“
“Pfff...“ Kei schmunzelte. Colin sah ihn an und lächelte dann wieder glücklich in den Himmel.
Inverness war die erste Stadt, die Kei untergekommen war, in der selten etwas passierte. Brutale Mörder schienen dort nicht zu wohnen. Die Nachrichten, die Kei manchmal über das Radio mitbekam, erzählten äußerst selten von Kriminellen in der Gegend.
Der Vampir fragte sich, ob die Instanz schon Wind davon bekommen hatte, wo Colin und er sich herumtrieben und vor allem, wann sie irgendetwas versuchen würden um einen von ihnen wieder in ihre Gewalt bekommen - zu welchem Zweck auch immer.
Kei war nichts ungewöhnliches aufgefallen, seit er dort war. Weder in Colins Nähe, noch in seiner eigenen.
“Was machst du eigentlich die ganze Zeit? Sitzt du hier jeden Tag mit einem Fernglas im Busch?“
“Ne. Also doch, ich bin jeden Tag hier, aber nicht ständig. Wenn du im Unterricht bist und nicht die Möglichkeit besteht, dass du draußen herumläufst, arbeite ich.“
“Ah?“
“Ich hab nen Job in einem Plattenladen. Irgendwoher muss ich ja Geld zum Wohnen haben.“ Er veschwieg Colin die einigen Tausend Pfund in bar, die Dennis ihm mitgegeben hatte. Die hatte er für Notfälle an einem sicheren Ort versteckt.
“Wo wohnst du denn?“
“Am Rand vom Stadtzentrum.“
“Gehts noch vager?“ Augenrollen. “Brücke, Parkbank, Fünfsternehotel?“
Kei lachte. “Wohnung. Fünfsternehotel wäre ja nett, aber das Essen da bringt mir nicht viel.“
Blut. Colin biss sich auf die Lippe und schaute wieder auf den Teich.
“Du gehst außerdem nicht nur drei Wochen hier zur Schule. Da wäre ein Hotel auf Dauer eventuell unangebracht.“
“... Du willst das hier noch zwei, drei Jahre lang machen?“
“Ich verhindere lieber, bevor du entführt wirst, dass es so weit kommt.“
“Hä?“
“Ich will dich nicht nochmal aus komischen Untergrundarenen retten müssen. Die Instanz hat dich schon mal entführt.“
Colin schaute ihn groß an.
“Nein, ich weiß nicht genau, was sie mit dir gemacht haben, aber gut war es nicht.“ Im Gegenteil.
“Bin ich darum verrückt geworden?“ fragte Colin ernst.
“Wenn nicht allein deswegen, dann hat es einen enormen Teil dazu beigetragen.“
“Scheiße,“ sagte Colin.
“Genau. Das sollte nicht noch mal passieren.“
“Ich habe meine Noten liegenlassen,“ sagte Colin.
“Meinst du, die klaut jemand?“
“Nö... aber sie werden vielleicht nass. Und ich brauche sie.“ Colin stand auf. Kei ebenfalls. Er ging zum Pfad zurück, der zum Internat führte. Colin ging mit ihm und zog seinen Schal wieder fester zu. Bevor sie in die Nähe des Zauns kamen, drehte er auf einen Trampelpfad ab, der durch das Unterholz zum Teich zurückführte. Kei folgte ihm dorthin, wobei er am Rande des Schulgeländes stehen blieb und wartete.
Wenig später kam Colin mit dem zusammengerollten Hefter in der Hand zurückgeraschelt.
“Es tut mir Leid, dass du diesen öden Job bekommen hast,“ sagte er schulterzuckend, als er bei Kei ankam.
“Ich bin lieber halbwegs unsichtbar in deiner Nähe als mir den Arsch im Schloss plattzusitzen.“
“Trotzdem...“ Colin sah beschämt zu Boden. “Es ist bestimmt nicht lustig. Wenn es nach mir ginge, müsstest du das nicht machen.“ Denn er fürchtete, dass Kei ihn früher oder später dafür hassen würde, dass er ihn aus der Ferne bewachen musste.
“Ich hab nicht erwartet, dass es lustig wird.“ Was Kei daran doof fand, war, dass er Colin nicht um sich haben durfte, laut offizieller Version zumindest. Aber, wenn man sich nicht um Regeln scherte, konnte auch so ein Job Spaß machen. Es war immerhin Colin, auf den er aufpassen sollte.
“Naja... kannst du zweieinhalb Jahre durchhalten?“ sagte Colin zweifelnd, während er losschlenderte, gemächlich am Zaun entlang.
“Ohne was?“ Kei ging neben ihm her.
“Ohne ein Leben.“
Kein Leben zu haben sieht anders aus. “Mach dir darum keine Sorgen, ich kann mich frei bewegen und die Abstände zwischen den Ferien sind nicht ewig.“
“Kannst du nicht einfach meine Entschuldigung annehmen, anstatt alles runterzuspielen?“ sagte Colin etwas genervt.
“Na gut.“ Kei lächelte leicht.
“Danke,“ sagte Colin grimmig. Er wollte nur nicht, dass Kei ihm in ein paar Monaten oder einem Jahr die Schuld für seine Langeweile geben konnte.
“Gern geschehen,“ schmunzelte Kei.
Sie kamen bei einem mit Vorhängeschloss verketteten Tor an. Dieses öffnete Colin ohne Umschweife einfach, indem er den Riegel aus dem Schloss zog. Es schien entweder eine Attrappe oder kaputt zu sein.
“Wo gehen wir hin?“ Kei sah auf das Schloss und schmunzelte. Wenn das tatsächlich Leute draußen halten sollte, musste es dringend repariert werden.
“Wirst du sehen. Du hast Zeit, oder?“ fragte Colin, während ihm schon wieder einfiel, dass das bestenfalls eine Höflichkeitsfrage sein konnte. Kei sollte ihn ja sowieso bewachen. Nachdem er Kei durchgelassen hatte, kettete er die Tür wieder zu und schob den defekten Riegel zu.
“Nichts habe ich so viel wie Zeit.“ Er trat durch das Tor und sah sich um. Sie befanden sich auf einer breiten Wiese abseits eines Sportplatzes, und Colin ging nun durch das feuchte Gras auf einige Seitengebäude zu, zu denen eine Turnhalle und kleinere Funktionsgebäude gehörten. Auf der anderen Seite tat sich noch ein Gewässer auf - ein See, der eigentlich ein ruhigerer, breiter Teil eines kleinen Flusses war, in dem in jeder anderen Jahreszeit gerudert und geschwommen wurde. Kei ging ihm nach und bestaunte das weitläufige Gelände. Diesen Teil des Schulgeländes hatte er schon gesehen, war aber noch nicht durchgelaufen. Vom Schuldach aus sah das nicht so groß aus. Colin ging zügig, ließ Kei aber immer wieder aufholen, bis sie zum Seeufer kamen. Er ging abseits des Weges in einem weiten Bogen auf ein hölzernes Bootshaus zu. “Hier musst du aufpassen, dass die Lichter nicht angehen.“ Er zeigte auf die Laternen über der Tür und entlang des Weges. Der ausgetretenen Linie auf dem Gras neben der Hütte nach zu urteilen, war Colin nicht der erste, der diesen Umweg nahm. Kei folgte Colin auf dem Fuße, um den Bewegungsmelder zu meiden.
Ein Häuschen am See. Fast wie in Brasilien.
Das Tor auf der Wasserseite war zwar verschlossen, doch der niedrige Wasserspiegel erlaubte es bequem, vom Steg unter dem Tor hindurch in die Hütte zu klettern, wenn man keine Angst vor etwas grünem Schleim auf der Hose hatte. Ohne zu Kei zurückzublicken machte Colin den Anfang, indem er erst seinen Hefter durch einen Spalt hineinschob und dann am rutschigen Holzgerüst entlangkletterte. Kei kletterte ihm hinterher. Seine Knie mit Schleim dekoriert richtete er sich im Bootshaus wieder auf. Colin war gerade dabei, Kerzen in richtigen kleinen Glaslaternen anzuzünden. Dabei kamen in einer Ecke auf dem Boden Decken und Kissen zum Vorschein, sowie Getränkekisten mit leeren Bierflaschen, ein paar verstreute Spielkarten, eine einzelne Bierflasche, die bis zum Hals mit Zigarettenstummeln vollgestopft war... Die alten Kajaks und zwei halbverrotteten Ruderboote, die hier noch mit Tauen, Körben, Rettungsringen und Rudern an den Wänden hingen, schienen bloß atmosphärische Hintergrundmusik darzustellen.
“Bootshaus, ja? Ihr habt wohl keinen Partykeller, was?“ Kei grinste leicht. Ihm gefiel es hier.
“Ich bin sicher, dass es einen Partykeller gibt... aber da ist es immer so bierlos. Rauchen und vögeln darf man da auch nicht.“ Colin zuckte mit den Schultern.
“Das nennst du Partykeller? Klingt langweilig.“ Kei grinste. “Ich will nicht wissen, wie viele Gummis man hier findet.“
“Ich schon. Ich will immerhin wissen, wo die Gummis alle stecken. Ich habe keine Lust, versehentlich -“ Er hob vorsichtig den Zipfel einer Decke hoch, aber darunter war nichts als mehr Decke.
Kei lachte. “Vielleicht wurden sie in den See entsorgt,“ vermutete er.
“Irgs.“ Colin stellte die Laterne, die er gerade hielt, auf dem Bierkasten ab und prüfte mit einem Blick nach oben, ob das Strandtuch noch das eine Oberlicht verdunkelte. Tat es. Er ließ sich in die Kissenecke fallen und zog sich den Schal ab. “Hier trifft man sich zum - du weißt schon. Stelldichein. Auf der anderen Seite gibt es Ferienvillen und eine Kunstschule.“ Er nickte zum verschlossenen Tor in Richtung See.
“Veranstalten die hier Ferienvilla-, Internats- und Kunstschüler-Blinddates?“ Kei fand diesen Gedanken amüsant. Ein Schulaushang zum Vögeln. Wer wollte konnte hingehen - oder so ähnlich. Colin lachte und zog sich noch die Jacke aus, während Kei sich neben ihn setzte.
“Na, blind ist das nicht. Die verabreden sich schon vorher.“
“Bist du dir da sicher?“ Kei grinste.
“Relativ.“ Colin nickte altklug, während er Jacke und Schal weglegte. “Weißt du, um hier reinzudürfen, muss man erst eine Aufgabe erfüllen.“
“Die da lautet?“ Kei sah Colin fragend an. Irgendwie hatte diese Situation etwas filmartiges.
“Man muss allein einen vollen Bierkasten hier reinbringen.“
“Das ist einfach.“
“Klar. Aber die meisten Jungs in unserem Alter sind Idioten,“ gab Colin zu Bedenken, indem er sich auf die Stirn tippte. “Wie würdest du es machen?“
Kei sah sich nach Fenstern um. Es gab nur ein kleines Oberlicht zur Vorderseite hin, wo es bewegungsmeldergesteuertes Licht gab das umgangen werden musste, und das mit einem Badetuch abgedunkelt war. Es war ohnehin zu schmal für eine Getränkekiste.
“Bierkasten aufs Dach stellen und die Flaschen in einen Beutel stecken. Damit hier rein klettern, wenn Tür aufbrechen keine Option ist," schlug er schließlich vor. Colin lachte leise.
“Was soll der Kasten auf dem Dach?“
“Die Lehrer finden ihn nicht sofort. Wenn die Flaschen drin sind, kommt der Kasten nach.“
Grinsend hob Colin eine Augenbraue und stützte sich auf die Knie. “So umständlich machen das die meisten. Sie nehmen die Flaschen raus und tragen sie rein, und den Kasten lassen sie unter der Tür reinschwimmen.“
“Ich kann sie nicht durch die Wände werfen... Nicht ohne die Wände kaputt zu machen. Hast du einen besseren Weg gefunden?“
“Ich habe die Bierlieferungen revolutioniert,“ nickte Colin überheblich grinsend. “Ich habe mir ein Seil geben lassen, den Kasten drangebunden und dann unter Wasser reingezogen. Und drinnen habe ich ihn so festgebunden, dass er noch im Wasser hing. Perfekt gekühlt.“
“Das ist eine geniale Idee,“ sagte Kei anerkennend. Colin winkte affektiert ab. Das brachte Kei fast zum Lachen. Colin musterte ihn belustigt.
“Küss mich,“ forderte er schmunzelnd.
Kei kam dieser Aufforderung grinsend nach. Bald musste irgendetwas passieren. Bisher war es so verdächtig ruhig gewesen.
Zuerst etwas schüchtern, dann immer selbstsicherer und schließlich mit einem betrunkenen Lächeln ging Colin seinem Hobby nach, das er jetzt drei lange Wochen hatte entbehren müssen. Über Keis Schultern streckte er die Arme aus. Kei verringerte den Abstand zwischen sich und Colin indem er den Kleineren zu sich zog. Mit einem Grinsen gegen Keis Lippen legte Colin ein Bein über Keis, damit er sich nicht auf ihn lehnen musste und weiter selbst sitzen konnte. Keis Lippenring war ein fantastisches Spielzeug. Kei steckte eine an der Luft kalt gewordene Hand unter Colins Hemd. Noch immer grinsend vertiefte er den Kuss. Colins Schultern zuckten etwas als ihm ein sanfter Laut der Überraschung entfuhr, und er biss Kei etwas fester als sonst in die Unterlippe.
Kei ließ von Colin ab und setzte sich etwas auf. Draußen war etwas zu hören. Es klang wie Schritte in einiger Entfernung. Ansonsten war es sehr ruhig. Er sah auf seine Uhr. Für Spaziergänger war es noch etwas zu früh. Für Schüler auch.
“Jemand ist auf dem Schulgelände. Kommt nicht von hier,“ informierte er Colin. “Ich geh mal nachsehen.“
Colin packte ihn an der Jacke, um ihn am Aufstehen zu hindern.
“Es darf dich niemand hier rauskommen sehen. Das ist bestimmt ein Parkpfleger oder sowas. Hier rein kommt er jedenfalls nicht.“
“Um diese Uhrzeit war hier nie jemand - außer dir.“ Kei hatte keine Lust darauf, dass das jemand war, der sie auskundschaftete oder irgendetwas in der Richtung - und damit auch noch durchkam. “Wer auch immer das ist schleicht beim Zaun herum.“
“Dann ist es jemand, der einen Hund hat oder unbedingt im Winter joggen muss oder was weiß ich,“ sagte Colin genervt.
“Ich will doch nur nachsehen.“ Wenn der 'ne Knarre hat, haben wir ein Problem. Nicht, dass Kei keine Knarre in der Jackentasche hätte, aber, wer auch immer das war, sollte nicht wissen, dass Colin dort war. Dass Kei dort war, sollte die Person mit ins Grab nehmen, wenn sie eine Bedrohung war, und wenn nicht, würde sie Kei nicht einmal bemerken. “Ich komme auch wieder.“ Kein Jogger. Kein Hund. Kein Schüler.
“... Mach das unsichtbar,“ sagte Colin stirnrunzelnd. Als wäre das nötig. Er wusste, das er Kei nicht seinen Job erklären musste, er war nur ein bisschen genervt.
“Natürlich.“ Kei stand langsam und geräuschlos auf. Er schloss seine Jacke halb, sodass sie kein Geräusch machte und er an die Knarre herankam. Vorsichtig und extrem leise verließ er das Bootshäuschen und machte sich mit kleinem Umweg auf zu der Stelle, von wo er die Schritte gehört hatte. Er kam von hinten auf die Gestalt zu, die da stand und das Gelände beobachtete. Die Gestalt blickte in die Richtung, in der das Bootshaus in einiger Entfernung lag. Kein Schüler. Kein Jogger. Kein Hund.
“This direction,“ sagte Kei leise hinter dem Rücken der Gestalt, etwa anderthalb Meter entfernt. “Who are you?“
~~

Das Lied, das Colin singt, ist Dónal Binn Ó Conaill Caoin/Dónall Ó Conaill.

Kei + Colin XCII: Betretener Abschied


Kei schlief eine Weile, aber nicht sehr lange, und wachte wieder auf, bevor es draußen hell wurde. Vorsichtig stand er auf, um Colin nicht zu wecken und schlich in sein Zimmer. Dort zog er sich Hose, Jacke und Schuhe an, nahm seine Zigaretten und ging leise nach draußen, eine rauchen.
Colin schlief ruhig weiter, so flach atmend dass es fast nicht mehr wahrnehmbar war und mit einem sehr schwachen und langsamen Puls. So blieb er bis zum Morgen reglos und nackt auf dem Bett liegen.
Kei kam eine Viertelstunde später wieder zurück und sah nach, ob Colin noch schlief. Tat er. Er musterte den Kleineren eine Weile und deckte ihn zu. Dass Colins Puls so schwach war, besorgte ihn nicht großartig. Colin müsste theoretisch noch untot sein, da nur sein Gedächtnis gelöscht worden war. Der Vampir entledigte sich seiner Kleidung und ging duschen.

In den frühen Morgenstunden fing es an zu regnen und einige Stunden vor Sonnenaufgang kam das kleine Auto der Köchin auf das Gelände gezuckelt, die sich wie üblich in der Küche zu schaffen machte. Kurz darauf begann Delilah, ebenfalls wie immer, in dem großen Trainingsraum unter dem Dach mit ihren täglichen Übungen. Das war alles, was passierte.
Kei ging sauber und in Hose und Jacke gehüllt durch das Schloss. Nicht zu wissen, was er mit dem Morgen anstellen sollte, war scheiße. Colin würde bald wegfahren und dann würde er ihn erst einmal nur beobachten können, bis er einen Weg gefunden hatte, Dennis' Vorgaben zu umgehen. Er nahm seine Gitarre und setzte sich damit ins Spielzimmer.
Als der Morgen schließlich graute, hatte Colin auch geduscht und sich angezogen und frühstückte mit Rupert, der sich über Colins Entschluss, das Internat zu besuchen, freute. Nach seinem üblichen Stück Toast mit Marmelade und der einen Tasse Tee holte Colin Mantel, Mütze und Schuhe, um mit ihm loszufahren, seine Schulausrüstung zu besorgen.
Kei hatte in der Zwischenzeit den Weg in sein Zimmer gefunden und saß auf seinem Bett herum. Als er bemerkte, wie Colin jenseits des Badezimmers in sein eigenes Zimmer ging, rief er: “Guten Morgen!“
Vor dem Kleiderschrank hielt Colin inne und überlegte sich viel zu lang, was er antworten sollte. Schließlich brummte er “Morgen,“ während er den Schrank öffnete und seine Jacke herausholte. Kei fragte sich, ob Colin noch beleidigt war, fragte aber nicht weiter nach. Colin zog sich an und ging wieder zur Tür. Er zögerte etwas, bevor er sie öffnete. Kei steckte den Kopf durch die Badezimmertür, als Colin zum Verschwinden ungewöhnlich lange brauchte.
“Bist du immer noch sauer auf mich?“ fragte er freundlich und musterte Colin, der offenbar irgendetwas vorhatte. Colin musterte Kei genau. Er wollte patzig 'Ja!' sagen, brachte es aber nicht übers Herz. Verschämt rutschte sein Blick auf den Kleiderschrank. 'Ja' sagte auch nicht alles aus. Er wollte jetzt kein tiefschürfendes Gespräch darüber führen. Es war alles schon peinlich genug...
“Nein,“ log er.
Du bist kein guter Lügner. Kei beließ es dabei. “Okay. Viel Spaß.“ Colin würde entweder bei ihm ankommen, wenn er mit ihm reden wollte, oder es würde sich eine Gelegenheit dazu ergeben. Der Vampir verschwand wieder in seinem Zimmer.
'Okay, viel Spaß'? Ernsthaft?! Colin errötete und verschwand eilig aus dem Raum. Er schloss die Tür etwas zu feste. Was für ein Wichser.

Kei ging nach draußen. Es regnete noch immer. Diesmal zog er die Kapuze seiner Jacke ins Gesicht. Er konnte die Rücklichter von Ruperts Audi sehen, die im grauen Geniesel unter Rauschen und Knirschen den langen, breiten Kiesweg zur Landstraße hinunterfuhren. Er entschloss sich dazu, eines der Motorräder zu nehmen und fuhr langsam die Einfahrt hinunter und einige Straßen entlang, bis er nach ein paar Stunden Landstraße in einer kleinen Stadt ankam, die er noch nicht kannte. Er hatte einen anderen Weg genommen als sonst.

Rupert und Colin fuhren etwa eine Stunde lang die Küste entlang bis nach Blackpool. Dort war das Wetter unwesentlich annehmlicher, aber darum ging es ja nicht. Rupert brachte Colin zu einer Schneiderei, um Maß nehmen zu lassen und die Internatskleider zu bestellen und in ein kleines Verlagsgeschäft, das auf Colin wie ein Reisebüro für Schulangelegenheiten wirkte, wo Rupert ihm einen Stapel Schulbücher kaufte und die Lieferung des Rests in Auftrag gab. Das Paket sollte gleich in die Schule geliefert werden. Colin bekam von der Frau noch gratis ein paar Hefter, einen Notizblock, Bleistifte, Kugelschreiber und andere nützliche Kleinigkeiten, um die große Tüte zu füllen.
Nach einem blackpooltypischen Imbissmittagessen ließ Rupert sich ohne viel Widerstand zu einem Spielhallenbesuch breitschlagen, sodass sie sich erst bei Sonnenuntergang wieder auf den Heimweg machten.

Kei war den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte spontan ein kleines Konzert besucht, weshalb er erst mitten in der Nacht zurückfuhr. Nachdem er es geschafft hatte die Leute, die mit ihm draußen zum Rauchen herumstanden, davon zu überzeugen, dass er trotz Unmengen Alkohols nicht zu betrunken zum Motorradfahren war.
Irgendwo zwischen der Landstraße und dem Schloss, vor dem Ruperts Auto wieder herumstand, fing Delilah ihn ab. Ohne ihn zum Anhalten zu zwingen, erschien sie wie aus dem Nichts etwas abseits seiner Strecke am Rand der Auffahrt und gab ihm mit der Hand ein kurzes Signal, dessen Bedeutung Kei mittlerweile als 'Dennis' kannte. Danach beugte sie sich wieder zur Seite und verschwand sofort, als würde der sachte Wind sie irgendwie verschlucken. Kei fuhr etwas langsamer weiter. War Dennis mit seinem Ausflug nicht einverstanden? Aufgefallen sein müsste es ihm aber so oder so, wenn er ihn gesucht haben sollte. Er stellte das Motorrad in der Nähe von Ruperts Auto ab und legte den Helm in die Garage.
Dennis saß inmitten eines Kabel- und Elektrosalats am Schreibtisch in seinem dunklen Zimmer und blickte nicht einmal auf, während sich die Tür scheinbar von selbst öffnete, als Kei auf dem dunklen Flur in ihre Nähe kam. Kei ging in Dennis' Zimmer und sah den Älteren fragend an.
Die Tür schloss sich hinter ihm, scheinbar wieder von selbst, bevor Dennis aufblickte. Er legte einen kleinen schwarzen Plastikkasten, aus dem einige Kabel heraushingen, auf den Tisch und kramte in einem Stapel nach einem großen braunen Briefumschlag, den er grob in Keis Richtung auf eine Ecke des Tisches warf. Kei hob ihn auf und öffnete ihn um den Inhalt zu begutachten.
“Wie machst du das mit der Tür?“
Dennis sah ihn abwesend an. “Hm? Oh. Telekinese,“ sagte er nebenbei, als sei das das normalste von der Welt. “Das ist dein neuer Job,“ sagte er mit einem Nicken auf den Umschlag. “Deine Identität, Geld und die Postfachadresse für die Kommunikation.“
Es waren mehrere tausend Pfund in gebrauchten Banknoten, in Plastik verpackt, ein japanischer Pass mit Dauervisum und Arbeitserlaubnis für Großbritannien, ein japanischer Führerschein, britischer Waffenschein für Handfeuerwaffen und ein kleiner Zettel mit einem Code.
Kei betrachtete den Inhalt. Hideo Katsuragi aus Nagasaki. Er wollte gar nicht wissen, wie Dennis in nur einem Tag für das alles sorgen konnte.
“Weißt du, wann's losgeht?“ fragte er und steckte den Inhalt des Umschlags in seine Jackentasche.
“Sofort. Oder morgen, wenn der große Held sich noch verabschieden will. Colin selbst fährt erst in zwei, drei Tagen los.“ Der Heldenkommentar war möglicherweise auf Keis neuen Decknamen gemünzt, der mit dem Kanji für 'Held' geschrieben wurde.
“Gut. Dann nehme ich morgen.“ Mit diesen Worten verschwand Kei aus Dennis' Zimmer und ging nachsehen, ob Colin noch wach war.
War er. In guter Absicht hatte er seine Schlafanzughose und ein Schlaf-T-shirt angezogen, doch er war überhaupt nicht müde. Beim goldenen Licht seiner Schreibtischlampe saß er mit hochgezogenen Beinen am Schreibtisch und las gebannt in einem Schulbuch. Daneben lag ein brandneuer aufgeschlagener Collegeblock, auf dem er scheinbar ein paar Aufgaben gelöst und Notizen gemacht hatte.
“Darf ich reinkommen?“ fragte Kei durch die halb geöffnete Badezimmertür. Colin blickte auf und nickte. Kei war so frei, sich auf Colins Bett zu setzen. “Ich muss morgen weg. Dennis hat mir einen längeren Job aufgebrummt.“
Colin sah ihn an. Sein Gesicht verriet nicht viel, oder eher zu viel auf einmal. Er sah vorsichtig, neugierig, ernst, verwirrt, aufgeregt und ein bisschen verlegen aus. “Da ich früher weg muss als du, wollte ich mich anständig verabschieden.“
“...“ Okay. Verabschiede dich.
Er kaute auf der Innenseite seiner Unterlippe.
Kei musterte ihn. “Wenn du mich wegen gestern noch anschreien willst, nur zu.“ Irgendwas saß Colin anscheinend gehörig quer. Bevor Kei ging, wollte er noch wissen, was das war.
Colin wandte den Blick auf den Boden. “Ich will dich nicht anschreien,“ sagte er leise.
“Du hast aber irgendwas.“ Kei sprach ruhig und sah zu Colin.
“Ja.“ Colin rutschte auf dem Stuhl weiter zurück, um seine nackten Füße auf der Kante der Sitzfläche fester aufzusetzen.
“Darf ich wissen was?“
“Das gestern war... ist scheiße gelaufen, aber ich will dich deswegen nicht nochmal rundmachen.“ Er zuckte mit den Schultern. “So scheinst du eben zu sein, es ist ja nicht deine Schuld, dass ich das nicht mehr weiß. Es ist nur schade. Ich finds einfach traurig, weil-“
Kei wartete, dass Colin den Satz beenden würde.
Er kaute ein bisschen auf seiner Zunge, ehe er weitersprach, immer noch ohne Kei direkt anzusehen. Das tat er nur zwischendurch, um dessen Gesichtsausdruck zu prüfen. “... Weil ich dich echt mag. Irgendwie.“
“Du hast mich öfter dafür rundgemacht, dass ich Scheiße gebaut habe. Tut mir Leid.“
Colin sah ihn an. Er wirkte ein winzigkleines bisschen überrascht. Jedenfalls sah sein Gesichtsausdruck nun offener aus. “Du findest - und meinst - du weißt also was ich meine?“
Kei nickte.
“Dann...“ Colin dachte nach. Das konnte man sehen. 'Dann geht das auch anders?' wollte er fragen, kam sich dabei aber etwas zu blöd vor. Irgendwie war er froh, dass er Kei eine Weile nicht sehen würde. Vielleicht war ihm die Nähe, das isolierte Aufeinanderhocken mit diesem viel zu appetitlichen Alien einfach nur zu Kopf gestiegen.
“Ich geb' mir Mühe.“ Kei musterte Colin. Der musterte ihn ebenfalls gebannt. Er schien nicht zu merken, wie er starrte. Kei sah ihn an und lächelte leicht. “Hab ich was im Gesicht?“
Ertappt blinzelte Colin und sah zur Seite. Kei schmunzelte nur ein bisschen.
“... Wo musst du denn hin?“ fragte Colin, damit es nicht zu still wurde.
“Ich muss Dennis bei was helfen.“
“Was denn?“
“Er sagt, dass das keiner wissen darf. Du auch nicht, damit deine Schulkameraden nichts erfahren.“
“Als könnte ich nicht dichthalten,“ sagte Colin augenrollend.
Du erfährst es doch eh. Geduld. “Ich verrate es dir, wenn du wieder hier bist.“
“Also in drei Wochen oder so. Ich muss doch sowieso schon genug geheimhalten, da könnt ihr mir das auch verraten.“
“Ich muss außerhalb etwas erledigen und es soll niemand wissen, wo ich bin.“
“Ja ja, schon gut. Du bist James Bond, hab's kapiert.“
Kei lachte. “Ein James Bond-Abenteuer wäre sicher von mehr Explosionen begleitet.“
“Und besserem Sex.“ Colin schmunzelte böse.
“Ich war noch nie auf einem, das kann ich nicht beurteilen. Sollte mir mal eins unterkommen, kann ich's dir ja erzählen.“
“Heißt das, dass du üben willst?“ Colin grinste.
Kei schmunzelte. “Du bist ja nicht da. Aber vielleicht gibt es was anderes jamesbondmäßiges da.“
“Martini.“
“Der schmeckt nicht.“
Colins Augen wurden groß. “Ich dachte du kippst einfach alles, das hart ist.“
“Ich habe Geschmacksnerven, die sogar funktionieren - und Martini ist eklig.“
Colin grinste.
“Dennis hat mir einen Führerschein besorgt. Einen echten. Ich kann mich nicht erinnern je einen gemacht zu haben.“
Colin lachte. “Du fährst doch dauernd.“
“Aber jetzt kann mir die Polizei nichts mehr.“
“Kommt drauf an wie du fährst,“ gab Colin mit einem Schulterzucken zu Bedenken.
“Manchmal kontrollieren die auch einfach so.“
Colins Blick wurde etwas ernster. “Die Instanz hat uns beide konditioniert, richtig? Damit wir... uns anfreunden.“ Er musterte Kei nachdenklich.
“Ja, haben sie.“
“Das haben sie nicht besonders gut gemacht,“ sagte Colin schmunzelnd.
“Nein. Die haben überhaupt noch nichts wirklich gut hinbekommen.“
Colin lachte leise. “Es hat funktioniert, aber ich frage mich wie.“
“Das weiß ich auch nicht. Aber was danach passiert ist, war wirklich verrückt.“
“So verrückt, dass ich den Verstand verloren habe,“ sagte Colin unernst. “Du machst mein Bett nass.“
“Ich glaube, das liegt daran, dass ihr Unsterblichkeitsexperiment nicht für Menschen gedacht war.“ Kei stand auf, zog die nasse Jacke aus und ging damit zur Tür.
Wo gehst du hin?
“Nasse Klamotten loswerden.“
“... Alle?“
“Soll ich in nassen Boxershorts herumsitzen?“
Colin wandte seinen schmunzelnden Blick errötend auf seine Knie. Kei schmunzelte und beförderte die nasse Jacke ins Bad, um sie aufzuhängen. Dasselbe tat er mit der Hose und dem Rest seiner Kleidung. Dann ging er in sein eigenes Zimmer und zog sich eine Jogginghose und eine etwas zu große Sweatshirtjacke an, bevor er wieder zu Colin ging.
Der hatte die kleine Lampe auf seinem Tisch ausgemacht und saß nun im Dunkeln auf dem Bett. Keis legerer Anblick machte ihn unerklärlich verlegen, darum war er für das sehr fahle Licht von draußen dankbar. Kei setzte sich zu ihm aufs Bett. Er schmunzelte ein bisschen. Colin rutschte vor ihn. Kei musterte ihn. Colin sah ihn ernst und mutig an, bevor er sich vorbeugte, um ihn zu küssen. Lächelnd erwiderte der Vampir mit den leuchtenden blauen Augen ihn. Colin hielt ihn zart und langsam, so wie es dieser Tage seine Art zu sein schien. Kei störte das nicht. Er fand es gut, dass Colin nicht mehr sehr wütend zu sein schien. Das war gut, immerhin musste Kei schon am nächsten Tag los.
“Darin bist du gut,“ flüsterte Colin schließlich und setzte sich wieder zurück. Kei lächelte. “You're an excellent kisser,“ raunte er genüsslich mit einem Lächeln.
“Übung.“
“Die darf man nicht vernachlässigen,“ sagte Colin nickend.
“Stimmt.“


Friday, July 14, 2017

Kei + Colin XCI: Zum zweiten ersten Mal



Kei schlenderte zurück zu Colin. Bei ihm angekommen sagte er ruhig: „Ich darf nicht mitkommen.“
Colin war nun angezogen, also in Schlafanzughose und T-shirt, und saß im Schneidersitz auf dem Bett. Er musterte Kei, soweit ihm das in der Dunkelheit möglich war. Bis auf drei Stück auf dem Nachttisch waren alle Kerzen aus, aber die ruhige Musik lief noch.
Er nickte.
„Dennis sagt, er braucht mich hier. Aber ich werde von mir hören lassen.“ Kei ließ sich vor Colin auf den Boden fallen, sodass er saß und schaute zu ihm hoch. Colin zuckte mit den Schultern.
„In ein paar Wochen bin ich wieder da,“ sagte er leise.
„Ich weiß. Ich kriege die Zeit schon rum.“
Colin hielt sichtlich ein Schmunzeln zurück. Relativ erfolglos.
„Jaja, lach mich aus.“ Kei lächelte leicht. Es machte ihm nicht groß was aus, Colin anlügen zu müssen. Er würde das früh genug richtig stellen.
Nun grinste Colin unverhohlen. „Ich lache dich nicht aus,“ sagte er leise. Er war wirklich nicht belustigt. Sondern sehr, auf eine interessante neue Art, gerührt und verzückt. Dieses prickelnde Schwindelgefühl meldete sich zurück.
„Schon klar.“ Kei musterte Colin vom Boden aus. Der sah ihn weiter scheinbar amüsiert an, aber mit einem sehr warmen Blick, und stützte das Kinn auf eine Hand, die er sich dabei ein bisschen vor den Mund hielt, indem er auf seinen Daumen biss. Kei musterte ihn weiter. „Wann fährst du jetzt eigentlich?“
Schulterzucken.
„Übermorgen wahrscheinlich. Oder den Tag danach. Ich brauche ja erst die Uniform und Bücher und so.“
„Okay.“ Nicht viel Zeit 'ne Wohnung zu finden.
„Warum sitzt du da auf dem Boden? Müffel ich?“ Nun schmunzelte Colin wirklich.
Kei lachte. „Soll ich mich lieber auf dich werfen?“
Noch ein Schulterzucken, diesmal elegant gekünstelt. „Du bist eh kurz davor. Warum also noch mehr Zeit verschwenden?“
Kei grinste. Er stand auf und ließ sich auf Colin fallen. „So besser?“ Colin fiel lachend zurück.
„Au. Du bist kantig.“
„Dafür entschuldige ich mich nicht.“
„Warum nicht? Ich habe mich an dir geschnitten, da!“ Er hielt einen Arm hoch und zeigte auf eine völlig unversehrte Stelle über der Armbeuge.
„Lügner, da ist gar nichts,“ sagte Kei schmunzelnd, nachdem er die Stelle begutachtet hatte.
„Du siehst nur, was du sehen willst,“ sagte Colin seufzend und ließ den Arm fallen. „Du hast mich tief verletzt,“ schmachtete er affektiert und drehte mit leidendem Ausdruck den Kopf zur Seite. Kei musste sich das Lachen verkneifen. Grinsend biss er Colin eine kleine Wunde in die Halsbeuge.
„Jetzt ist da was.“
„Ah, spinnst du? Das tat wirklich weh.“ Stirnrunzelnd wischte Colin sich über die Stelle. Es blutete nur ein bisschen.
„Ach was, das ist nur ein Kratzer.“
„Das hat richtig geknackt, Mann,“ beschwerte er sich. Sein prüfender Finger hatte nur einen winzigen Blutschmier, aber er stirnrunzelte Kei beleidigt an, während sich die Wunde schon wieder schloss. Kei lachte.
„Das muss ich überhört haben.“ Er küsste Colin.
Bevor er darüber nachdenken konnte, erwiderte Colin den Kuss gierig und schlang die Arme um Keis Nacken.
Die zwei Tage, die er noch mit Colin hatte, mussten bestens ausgenutzt werden. Kei erhielt den Kuss aufrecht und setzte sich vernünftig auf den Kleineren, was bequemer war als halb auf ihm zu liegen. So musste er feststellen, dass Colins Körper nicht begriffen hatte, dass sein Besitzer eine gewisse Sache eigentlich noch aufschieben wollte. Er wand sich unter Kei und rutschte unwillkürlich ein wenig so herum, dass aus der Bequemlichkeit etwas drängenderes wurde, während er sich eigentlich nur voll auf Keis Lippen und Zunge konzentrierte. Kei grinste ein bisschen und schob Colins T-shirt nach oben. Der schien darauf gar nicht zu reagieren, sondern saugte nur weiter an Keis Lippe und dem Ring darin. Das war dem Vampir für den Moment ganz recht. Er biss Colin auf die Unterlippe und erkundete dessen Oberkörper mit einer Hand, ohne dabei Anstalten zu machen, ihm das Shirt ganz auszuziehen. Mit einem privaten Lächeln ließ Colin ihn los, um das gleiche zu tun. Praktischerweise hatte Kei ja nichts als ein Paar zerfetzte Jeans an. Er hörte aber nicht auf, ihn zu küssen. Er wollte dabei langsam sein, aber es ging nicht.
Das konnte noch eine Weile so weitergehen. Absichtlich bewegte Kei sich ein bisschen. Colins Atmung wurde hastiger und als er feststellte, wie offensichtlich er mit seinen eigenen Beckenbewegungen auf Kei reagierte, murmelte er wie betrunken: „Das haben wir bestimmt schon hundertmal gemacht,“ gegen Keis Lippen.
„Ich hab nicht mitgezählt,“ entgegnete der grinsend.
Wenn sich das Blut in Colins Körper nicht gerade woanders konzentriert hätte, wäre er vermutlich sehr rot geworden. Er hielt Kei irgendwo am Rücken fest.
„Kannst du so tun...“ murmelte er heiser und sah zu, dass sein Gesicht dicht genug an Keis lag, dass der ihn nicht direkt ansehen konnte. Er schien Schwierigkeiten zu haben, den Satz zu beenden.
Kei schaute erst fragend, dann fragte er: “So tun, als was?“
Colin sah an Kei und sich hinunter und dann, als ihn das zu stark am Denken hinderte, ein bisschen zur Seite.
„... Als ob... wir nicht... Ich habe nämlich nicht...“
Kei musste ein bisschen schmunzeln. Was auch immer Colin wollte, es würde nichts ändern. Der Vampir wusste, dass Colin sich nicht mehr daran erinnern konnte, was sie beide gehabt hatten bevor Dennis sein Gedächtnis gelöscht hatte. Er wartete darauf, dass Colin den Satz beenden würde.
Tat er aber nicht. Er ließ Kei nur los, um sich die Hände vors Gesicht zu halten und sich frustriert ächzend auf die Seite zu drehen, soweit das unter Kei eben ging, ohne diesen köstlichen Druck auf seinen Schritt wegzuschieben. Jemandem, mit dem man schlafen wollte, zu beichten, dass man Jungfrau war und bitte auch mit Samthandschuhen angefasst werden wollte weil man anscheinend bescheuerte Märchenvorstellungen von Sex und so weiter hatte, wäre schon schlimm und peinlich genug, aber gleichzeitig zu wissen, dass man eben schon bestimmt zigmal keine Jungfrau mehr war, und mit eben genau derselben Person...
„This is so messed up,“ stöhnte er in seine Hände.
„Nur, weil du dir den Kopf zerbrichst.“ Kei lächelte und blieb auf Colin sitzen. Das Umdrehen dürfte dem Kleineren nicht schwer gefallen sein, angesichts der Tatsache, dass Kei nicht schwer war.
Kopf zerbrechen... Die Alternative wäre, richtig peinlich zu sein, wenn ich einfach alles sagen würde, was mir einfällt... Er sah Kei an, ein bisschen niedergeschlagen oder genervt vielleicht. Aber das würde dir nichts ausmachen, oder? Er hatte ja eigentlich nichts zu verlieren. Er wusste schon, dass Kei in ihn verliebt war und riskierte wohl nichts, wenn er einfach direkt wäre.
Er musterte Kei angestrengt.
Aber wenn ich in der verlorenen Zeit anders war, also wie ich wirklich bin, dann werde ich zu einer anderen Person wenn ich mich jetzt anders verhalte, weil ich mich sicher wähne-
„Du kannst mich nicht schockieren. Egal, was du sagst – oder was du denkst das ich nicht weiß,“ kommentierte Kei Colins Gedanken und musterte ihn. Colin guckte ihn verwirrt an.
„Was?“
„Denk halt nicht so laut.“
Colin riss die Augen auf und holte Luft. „Telepathie ist - nicht - erlaubt!“ rief er, indem er Kei dreimal schubste. Kei lachte.
„'Tschuldigung.“ Das meinte er nicht wirklich ernst. Er fand es gut, Colins Gedanken mitzubekommen. Auch wenn er das nicht immer absichtlich machte. Colin setzte sich auf und rutschte dabei weit genug zurück, um sich nicht selbst eine Kopfnuss mit Keis Kinn zu verpassen.
„Wenn du weißt, was ich gedacht habe, weißt du ja auch, was ich sagen wollte, also frag nicht so scheinheilig.“ Er wirkte ein wenig genervt und ziemlich peinlich berührt, aber nicht wirklich wütend. Kei schmunzelte bloß. Colins Gedanken auszublenden musste er noch lernen. Das wollte er zwar nicht unbedingt, aber lernen musste er es trotzdem.
„Hilft es, dass ich gefragt habe, bevor ich das wusste?“
Vor lauter Verlegenheit sah Colin jetzt doch fast wütend aus und konnte nichts sagen, sondern schubste Kei nur wieder.
Lach nicht, du Arsch.
Kei ließ sich nach hinten fallen. So sah Colin sein amüsiertes Gesicht wenigstens nicht. Colin wartete ein bisschen und guckte unschlüssig herum, ehe er wieder etwas sagen konnte. Nachdem er sich geräuspert hatte.
„... Ähm, und... willst du noch?“ Ohne Kei anzusehen. Kei, der seine unbequem aussehende Position nicht änderte, nickte, was Colin nicht sehen konnte.
„Ja.“ Colin konnte man fast als niedlich beschreiben, wenn Kei das Konzept von Niedlichkeit geläufig wäre.
„Und, ähm... räusper ... du kannst - würdest du... ja?“
Kei schmunzelte immer noch. „Okay.“
Colin musste verlegen grinsen und wischte sich über das Gesicht. „... Tut mir Leid...“
„Du kannst nichts dafür.“
„Doch. Ich bin sehr umständlich. Entschuldige. Das muss für dich so lästig sein.“
„Wieso? Ich bin doch schuld daran. Lästig wären ganz andere Sachen.“
„Woran bist du schuld? Reden wir von derselben Sache?“ Colin beugte sich vor, um Kei anzusehen.
„Ich bin schuld daran, dass du dein Gedächtnis los bist.“ Keis Blick lag zwischen Colins Gesicht und der Zimmerdecke.
„Wie meinst du das?“ Colin zog sich das T-shirt aus und warf es auf eine Ecke des Bettes. „Dennis hat gesagt, dass ich gefährlich war und er es darum machen musste.“
„Weil ich gesagt habe, dass er's tun soll.“
„Und warum hast du das getan?“ fragte Colin im Konversationston.
„Weil das die einzige Möglichkeit war, dass du nicht völlig durchdrehst... oder draufgehst.“
„Dann ist es doch unnötig, von Schuld zu sprechen, oder?“ sagte Colin mit einem sanften Lächeln und öffnete Keis Hose. Der Knopf war sowieso offen gewesen, also zog er nur ohne Umschweife den Reißverschluss auf. „Dann muss ich dir ja dankbar sein. Und trotzdem mache ich dir jetzt Umstände.“ Schulterzucken.
„Das nennst du Umstände.“ Kei lächelte.
Wieder zuckte Colin mit den Schultern. „Wenn ich mich plötzlich ziere, obwohl du schon hundertmal mit mir geschlafen hast, das ist... das würde mich an deiner Stelle vielleicht nerven. Das sollte alles vielleicht einfacher machen, aber es ist irgendwie doppelt peinlich... weil ich mir jetzt selbst Konkurrenz machen muss oder so.“ Stirnrunzelnd und nachdenklich kroch er über Kei, um ihn ernst anzusehen. „Ich verstehe das hier nicht ganz. Du?“
„Nein. Ich glaube, das ist auch nicht nötig.“ Kei musterte Colin, da ihm das jetzt wieder möglich war. „Wieso sollte mich das nerven, ich hab doch Zeit genug.“ Wenn er irgendetwas hatte, dann war es Zeit.
Colins Gesicht entspannte sich merklich.
„... Ich frage mich nur, ob ich jetzt anders bin. Ich weiß nicht, ob ich mich genauso verhalte wie du mich kennst. Wenn nicht - das könnte - also, sollte ich versuchen, der gleiche zu sein-“
„Du bist wie du. Nur ohne die ganzen Dinge, die passiert sind.“
„Ja. Und das macht dir nichts aus?“
„Es ist schade, dass du dich an einiges nicht erinnerst, aber da ich das nun nicht ändern kann, wieso sollte ich daran verzweifeln?“
„Nicht verzweifeln.“ Colin legte eine Faust sachte auf Keis Brust, wie in einem sanften Zeitlupenschlag. „Du könntest nur sehr enttäuscht sein, oder... irgendwie... abgetörnt.“
„Frustriert vielleicht. Manchmal.“ Kei sortierte seine Beine etwas um, da es allmählich unbequem wurde drauf zu liegen. Colin machte ihm Platz dafür und kniete nun zwischen seinen Beinen. Er richtete sich wieder auf. Er nickte.
„Wenn das alles ist... ist es gut,“ sagte er und kam sich dabei lahm vor. Ich habe das Gefühl, als müsste ich dich irgendwie trösten oder bei der Stange halten.
Bloß nicht. Das wäre merkwürdig. Kei lächelte und zog Colin wieder zu sich herunter um ihn zu küssen. Der machte es sich dankbar lächelnd auf und teilweise neben Kei gemütlich, um seinem neuen Hobby genüsslich nachzugehen. Er mochte, wie vertraut Keis Körper seinem eigenen vorkam, obwohl er ihn gerade noch kennenlernte. Kei hielt den Kleineren fest und vertiefte den Kuss.
Breathe. Breathe. Stop huffing. Breathe. Don't moan. Just breathe normally. Shit. I'm passing out.
„... you dizzy...?“ murmelte Colin sachte.
„Nope,“ entgegnete Kei leise.
„Really... but it's really good...“
Kei musterte Colin. „Nicht bewusstlos werden.“
Er schüttelte langsam und sehr high lächelnd den Kopf, ehe er Kei wieder küsste, und zwar langsam und sehr genüsslich. Leicht grinsend erwiderte Kei den Kuss. Colins Oberschenkel lag auf und auch in Keis Schritt und hielt wie der Rest von ihm nicht gerade still, obwohl er seine Lage nicht wechselte. Scheinbar versuchte er, sich durch Osmose in Kei hineinzuschmelzen oder ihn in die Bettdecke zu drücken. Zwischen dem Einsatz von Zungenspitze und Zähnen flüsterte er irgendwann: „Jetzt wirklich.“
„Ich weiß.“ Mit der freien Hand machte Kei sich daran, Colin seiner Hose zu entledigen. Eilig hatte er es damit nicht. Nach einem kurzen, wohligen Schaudern half Colin mit. Er hatte es eigentlich eilig, aber versuchte, sich zurückzuhalten. Der Weg ist das Ziel. Was Kei gerade machte, musste ausgekostet werden. Er machte bisher genau das, worum Colin gebeten hatte und irgendwie kitzelte das überall unter seiner Haut.
Während er Kei weiter gemächlich und innig küsste, kratzte er sachte mit einer Hand auf seinem Bauch entlang und schob sie dann unter Keis Hosenbund, um ihm die Jeans hinunterzuschieben. Das war allerdings etwas schwieriger, weil er selbst halb darauf lag und die Hose außerdem ziemlich eng war. Kei war so frei, sein Becken etwas anzuheben, damit Colin es mit seiner Hose leichter hatte, während er dem Kleineren die Schlafanzughose so weit herunter schob, wie ihm das gerade möglich war, ohne seine Position großartig zu ändern. Colin setzte sich auf und trat dabei seine Hose weg. Dann zog er Keis Jeans herunter. Er wirkte weniger schüchtern als vorher, dafür hauptsächlich entschlossen, wie er Kei fasziniert musterte. Kei entledigte sich seiner Hose mit einem Tritt in die Luft und küsste Colin wieder, nachdem er sich leicht aufgesetzt hatte.
Plötzlich musste Colin grinsen. „You can kiss me in the moonlight, on the rooftop under the sky, oh,“ sang er leise, „you can kiss me with the windows open while the rain comes pouring inside, oh, kiss me in sweet slow motion, let's let everything slide...“
Das brachte auch Kei zum Grinsen. Mit der rechten Hand hielt er Colin im Nacken fest und vertiefte den Kuss ein wenig.
„You've got mfl-“ Der Rest wurde weggeküsst und versickerte im Nirvana. Colins Hände strichen von Keis Hals ziellos über seine Schultern, Rücken, Brust und Bauch und er wagte sich noch zwischen seine Beine. Er befühlte und rieb Keis Halbständer sanft und war auf dessen Reaktion gespannt. Diese war ein Gefallen bekundendes Geräusch, ein nicht allzu lautes. Er biss Colin leicht grinsend auf die Unterlippe.
„Hm.“ Das war genug Ermutigung. Colin machte selbstsicherer damit weiter, nachdem er noch dichter herangerutscht war. Das ist Multitasking, dachte er abwesend, als Keis Zunge ihn wieder ablenkte. Und er fühlte sich so besoffen.
Kei verlagerte sein Gewicht so, dass er den linken Arm nicht mehr zum Aufstützen brauchte um es dem Kleineren gleichzutun. Den Kuss hielt er dabei aufrecht.
Oh my god, fuhr es dem Jungen halbschockiert durch den Kopf, und unnötigerweise You sure you wanna touch me there? Das war so merkwürdig und er musste verzückt seufzen und sich gierig gegen Keis Hand bewegen.
Yeah. Kei sprach diesen Kommentar nicht laut aus. Colin würde ihn nur schlagen dafür. Das musste jetzt nicht sein. Er bewegte seine Hand ein wenig schneller. Der Vampir war auch nicht wirklich gut darin, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun und so ließ er Colins Gesicht erst einmal in Ruhe. Es klebte trotzdem weiter auf seinem. Colin konnte sich zwar auf nichts anderes konzentrieren als das, was seine und Keis Hände da taten, aber Keis Lippen brauchte er dennoch, auch wenn sein Atem und sein Puls unregelmäßig rasten und er nichts mit ihnen anfangen konnte.
„Hm, wait,“ flüsterte er und ließ Kei los. Der ließ ihn auch gehen, etwas widerwillig, und sah fragend in dessen Gesicht. Um sie herum war es so ruhig, dass er den Herzschlag des Kleineren hören konnte.
Colin nahm nicht wahr, dass nach dem Lied von Faith Hill, das er kurz leise mitgesungen hatte, die Musik ausgegangen war. Er kroch über das riesige Bett zum Nachtschrank, um die Kondomschachtel und die Gleitgeltube aus der Schublade zu nehmen, die er während Keis kurzer Abwesenheit darin verstaut hatte. Die Schachtel warf er achtlos neben sich auf das Kissen.
In der Zeit, die Colin brauchte um das Zeug aus der Schublade zu nehmen, machte Kei die Musik wieder an und war so frei, die Zufallswiedergabe einzuschalten, damit sie nicht wieder einfach ausging. Colin fummelte ein Kondompäckchen heraus und schnupperte an dem Gel, während er da kniete und gespannt wie ein Flitzebogen wartete, Tube in der Hand und Kei erwartungsvoll anstarrend.
Kei kehrte, als er mit der Stereoanlage zufrieden war, zu Colin zurück und begegnete dessen Starren mit einem Blick, der eine Mischung aus einem freundlichen Lächeln und einem leicht dreckigen Grinsen war. Er wollte gar nicht wissen, was Colin erwartete. Im Augenblick fand er es gut, dass die Gedanken seines Freundes nicht ständig in seinem Kopf herumschwirrten. Der Vampir setzte sich neben dem Kleineren aufs Bett und küsste ihn, wobei er ihm Kondom und Gleitgelpackung abnahm.
„Oh, gu-“ -ut, mach du das... Colin erwiderte den Kuss begeistert, mit einem schaumigen Wohlgefühl überall.
Kei ließ die Gleitgeltube neben sich fallen, nachdem er festgestellt hatte, dass Kondompackungen öffnen mit einer Hand doch etwas mehr Geschick erforderte als er fähig war aufzubringen und drückte Colin leicht aber bestimmt nach hinten, ohne von ihm abzulassen. Der lehnte sich zurück, auf seine Hände, sodass er immer noch saß, und zog den Kopf zurück, um Kei zuzusehen.
Kei betrachtete Colin mit einem Blick, der vermuten ließ, dass er Colin entweder auffressen wollte, oder er ein Junkie war, dem man gerade Stoff für den nächsten Trip gegeben hatte. Dieser wilde Raubtierblick war Colin zwar unheimlich, weshalb er noch ein Stück zurückrutschte, aber er machte ihn auch zu sehr an, um ihm wirklich Furcht einzujagen. Er begegnete ihm mit einem eigenen entschlossenen Blick, der allerdings dadurch etwas an Wirkung verlor, dass er schwer atmete und auf seiner Lippe kaute.
Kei grinste leicht und beobachtete Colin. Eigentlich könnte er das den ganzen Tag machen, weil es amüsant war, ihm dabei zuzusehen. Nur jetzt gerade wollte er das nicht ewig. Er öffnete die Plastikhülle des Kondoms und küsste den Kleineren grinsend.
Mit einem brennenden Gefühl hinter den Augen erwiderte Colin den Kuss hastig und fiel beinahe rückwärts aufs Bett, weil er Kei wieder anfassen wollte und sich so nicht mehr aufstützen konnte. Mit einer ungeduldigen Hand strich er über Keis Wange und Hals, während die andere fast zitternd unter ihm nachgab.
Kei legte das Gummi zur Seite um mit einer Hand die Gleitgeltube zu befingern - mit dem Zweck sie zu öffnen. Erfolg. Er öffnete die Tube ohne wieder von Colin ablassen zu müssen und lehnte sich über ihn. Die freie Hand benutzte er zum Abstützen um nicht auf ihn zu fallen, doch Colin legte beide Arme um seinen Nacken und ließ sich selbst nach hinten fallen. Was dazu führte, dass Kei nicht viel anderes übrig blieb als auf Colin zu landen. Der küsste ihn bloß gierig weiter mit Zunge und Zähnen und hakte seine Beine um Keis, damit der blieb wo er war und Colins Beckenbewegungen nicht ins Leere stießen. Grinsend beschmierte Kei einhändig seine rechte Hand mit dem durchsichtigen, glitschigen Zeug. Das war etwas umständlich, aber machbar, sogar ohne Colins Bettzeug damit zu versauen - nicht dass ihm sonderlich daran gelegen wäre, Colins Bett sauber zu lassen. Er kam Colins kurzen, hastigen Stößen mit eigenen entgegen, während derer er mit zwei Fingern in den Kleineren eindrang.
Oh, really now- Colin wusste, dass ihn das nicht so überraschen sollte. Er hielt trotzdem stirnrunzelnd die Luft an. Körperlich war es nur leicht unangenehm. Die Peinlichkeit dieser ganzen Geschichte überwog einfach. Er hielt Kei fest bei sich, damit er ihm nicht ins Gesicht sehen musste. Anstatt ihn weiter zu küssen, leckte er sich jedoch nur selbst verlegen die Lippen. Kei grinste und bewegte seine Hand ein bisschen, nebenbei hinterließ er leichte Bissspuren an Colins Hals. Die Bisse ließen Colin leise aufstöhnen, oder er konnte es gut darauf schieben, in seinem eigenen Kopf, ohne sich einzugestehen, dass Keis Finger schuld waren. Er kratzte sanft auf Keis bunten Schultern und Rücken herum. Mit den Beinen konnte er ihn jetzt nicht mehr festhalten.
Kei führte sein Tun noch eine kleine Weile fort, man konnte meinen, er hätte ein Muster aus kleinen Verletzungen auf Colins Hals hinterlassen wollen. Doch kaum dass er damit fertig war, waren die ersten auch schon wieder verheilt. Leise stöhnend stemmte Colin sich in die dicke, weiche Decke, Keis Hand entgegen. Er hatte ihn losgelassen und krallte sich nun in die Decke. Zwischen ihnen wurde es ein wenig glitschig, als Colins Eichel etwas zu tropfen begann. Kei küsste den Kleineren und biss ihm beinahe zärtlich auf die Unterlippe der daraufhin mit einem leisen Geräusch seufzte, das ihm peinlich gewesen wäre, wenn er noch geradeaus hätte denken können. Die Musik und Kei auf ihm lenkten ihn davon ab, während er langsam zurückküsste und sich unter ihm wand. Vor seinem inneren Auge erschien ein bescheuertes Gänseblümchen, das Blütenblätter fallenließ.
He loves me, he loves me not, he loves me, he loves me not, he loves me-
Kei ließ von Colin ab, um sich des Gummis anzunehmen. Im ersten Moment entfuhr Colin noch ein hilfloses Seufzen vor verzweifelter Enttäuschung, dann versuchte er, sich aufzurichten um zu sehen, was Kei machte, gab das aber gleich wieder auf und ließ sich wieder zurückfallen. Er wischte sich über das Gesicht. Seine Hände waren etwas kühler als seine brennenden Wangen. Seine Beine bewegten sich von selbst, um möglichst viel von Kei zu berühren, der da zwischen ihnen kniete und er musste so dringend angefasst werden.
Kei ließ Colin nicht lange Zeit enttäuscht zu sein, was überhaupt nur der Tatsache geschuldet war, dass man Kondome nicht einhändig aus der Verpackung nehmen konnte. Nach dem Überziehen beugte er sich wieder über den Kleineren, küsste ihn und ersetzte seine Finger nicht besonders vorsichtig durch sein Geschlecht.
Holy shit it's happening now- fuhr es Colin zuerst siedendheiß durch den Kopf. Doch weil Kei sich und ihm kein bisschen Zeit ließ, trieb ihm ein stechender, rauher Schmerz und schließlich ein merkwürdiges Schwindelgefühl alle Gedanken aus und er zitterte nur stöhnend und biss Kei versehentlich auf die Lippe. HOLY SHIT. Das war besser als – besser als – Geigespielen.
Es wäre zwar genug Zeit vorhanden gewesen um vorsichtig zu sein, nur kam Kei das nicht in den Sinn. Wenn er irgendetwas gerade nicht brauchte - Colin offensichtlich auch nicht - war das vorsichtiges Zögern. Ohne Colin sich an dieses Ausgefülltsein gewöhnen zu lassen, begann er sich zu bewegen. Gierig bewegte er sich etwas schneller, wobei seine Stöße zunehmend härter wurden.
Ow, fuck- Der rauhe Schmerz blieb und nahm zu. Das andere, gute Gefühl aber auch. Um Kei nicht den Rücken oder die Arme zu zerkratzen, raufte Colin sich Teile der Decke über seinem Kopf zusammen, den er schluchzend darin vergrub. Er hatte Schwierigkeiten zu atmen. Immer wenn er Luft holte, trieb Kei sie ihm wieder aus. Und er hoffte abwesend, dass Kei ihm nicht genau ins Gesicht sah, denn er wusste, dass er weinte, wollte aber nicht, dass Kei aufhörte.
Eigentlich schon, aber eigentlich nicht.
Kei hatte die Augen halb geschlossen und führte eher mehr als weniger rücksichtslos fort, was er tat. Colin dabei anzusehen gelang ihm nicht wirklich. War ihm auch egal.
Colin konnte sein Zucken und Zittern nicht kontrollieren, oder sein Stöhnen, das allmählich zu leisen Schreien wurde, also rupfte er sich die Decke über das Gesicht, um hineinzubeißen. Er merkte nicht einmal, wie er kam. Nur, dass er sich wie in einer perversen Version von Elektroschocktherapie vorkam.
Kei kam stöhnend eine kleine Weile nach Colin, dessen Gesicht er nun doch gern gesehen hätte. Zu hören, was der Kleinere verlauten ließ, war allerdings ebenso gut. Sein Kopf war nicht weit von Colins Schutzschilddecke entfernt. Berauscht lächelnd und schwer atmend ließ er sich auf Colin sinken und zog sie ihm vom Gesicht.
Der zuckte und zitterte noch und atmete schwer. Er verlor seinen Griff in das feuchte Bündel auf seinem Gesicht aber ließ es einfach wegrutschen. Luft war auch gut, und jetzt da Kei stillhielt, konnte er vielleicht aufatmen und aufhören, so unkontrolliert zu schluchzen. Kraftlos wischte er sich mit einem Unterarm über das nasse Gesicht, weil der gerade so praktisch da in der Nähe war, und ließ ihn dann auch über seinem Kopf liegen. Kei vergrub sein Gesicht in Colins Halsbeuge und blieb luftholend auf ihm liegen. Mit einer Hand strich er ihm leicht übers Gesicht.
„Du - hast - Das war - nicht - nett,“ schluchzte Colin atemlos. Er schien aber bloß erschöpft zu sein. Immerhin weinte er nicht mehr. Right. Anything else I'd like to embarrass myself with?
„Sag bloß, du hast Nettigkeiten von mir erwartet,“ nuschelte Kei leise in Colins Halsbeuge.
Ja, habe ich! rief er in Gedanken, weil er seiner Stimme jetzt nichts mehr zutraute, und hoffte, dass das bei Kei ankam. Das hat wehgetan! Er wollte Kei von sich runterschubsen, fand aber nicht einmal die Energie, seine Arme überhaupt zu heben.
„Klang nicht danach, als hätte dich das groß gestört.“ Keis Gesicht zierte ein leichtes Grinsen.
„Are you - fucking - kidding - Get off!“ Nun schaffte Colin es, Keis Schulter zu schlagen. Der blieb einfach unbeeindruckt liegen und schmunzelte. Colin gab sich die Zeit, um seine Atmung noch etwas zu beruhigen. „Haben wir das immer so gemacht?“ fragte er schließlich heiser.
„Weniger romantisch,“ kommentierte Kei. Colin machte ein säuerliches Gesicht, das Kei nicht sehen konnte.
„Das war nicht romantisch,“ brummte er. „Das war brutal.“
„Ich meinte die Umgebung.“ Er machte eine kleine Pause. Im Vergleich zu Colins wirklichem ersten Mal und Sex neben der Leiche seines Vaters war das schon romantisch. Mit Kerzen und Musik. „Es hat dir gefallen.“
„... Am Anfang. Ja...“ gab Colin leise zu. „Danach... Das machen wir nicht nochmal,“ murmelte er. Dass es vielleicht etwas leichtsinnig war, das jetzt zu sagen, während Kei noch wie ein heißer, nasser Baumstamm in ihm steckte, fiel ihm zu spät ein. Kei schmunzelte bloß.
Das klang ganz anders. Du kannst mir erzählen, was du willst.
Als Kei nicht zu reagieren schien, fragte Colin zaghaft: „War ich ein Masochist?“ und schämte sich gleich für die bescheuert klingende Frage.
„Scheinst du immer noch zu sein.“ Kei grinste ein bisschen.
„... Du kannst mich mal,“ sagte Colin matt. Ihm fiel nichts besseres ein.
„Immer gerne,“ entgegnete Kei leise.
Nur weil er immer noch in dieser Hormonsuppe schwamm, traute Colin sich, folgendes laut auszusprechen: „Wann habe ich gesagt, dass ich gut finde, was du machst? 'Oh yeah baby fick mich, härter, tiefer, schneller' - Habe ich das irgendwann gesagt, huh?“ sagte er heiser. Herausfordernd. Des Nachdrucks wegen schlug er Kei nochmal auf den Oberarm.
„Nicht wörtlich.“ Kei grinste. Hast du, nur nicht heute.
„Also habe ichs nicht gesagt!“
Kei lachte ein bisschen. „Und wenn du wieder laufen kannst, kommst du an und sagst 'Mach das nochmal'.“
Colin rutschte herum und schob Kei halb von sich herunter - sodass er aus ihm herausrutschte - um ihn zu ohrfeigen. Kei fing seine Hand grinsend ab. „Zu langsam.“
Colin holte Luft und funkelte Kei wütend an. „Raus,“ sagte er heiser.
„Bist du sauer? Ich wollte nicht, dass du sauer wirst.“
„Bin ich-“ Er starrte Kei ungläubig an und vergaß darüber, seine Hand zurückzuziehen. „Das hat scheißewehgetan und du machst bloß Witze! Ich dachte du hättest kapiert, was ich von dir will und dann machst du – SOWAS! Ist ja kein Wunder, dass ich wahnsinnig geworden bin!“
„'Tschuldigung.“ Hey! das war nicht meine Schuld!
„'Entschuldigung'?! Ernsthaft?“ Er schubste Kei. „Ich war so kurz davor -“ Er zeigte 'ein bisschen' mit Daumen und Zeigefinger und sah Kei dann wieder böse an, nur um sich auf die Zunge zu beißen, damit er den Satz nicht beenden musste. Er schien vergessen zu haben dass 'sozial' oder 'Menschen verstehen' nicht zu Keis Qualitäten gehörten.
Mir eine zu scheuern? Mich gern zu haben? Mich aus dem Fenster zu schmeißen? Kei musterte den Kleineren.
Mich in dich zu verlieben.
Kei musterte Colin weiterhin. Einfach mal den Mund halten zu können würde ihn aus einer Menge Mist heraushalten. Colin sah ihn nicht direkt an und guckte dafür schamvoll irgendwo unter seinem Gesicht herum. Nackter Kei war aber nicht sehr hilfreich beim Nicht-verlegen-werden, und so kaute er sich nur weiter auf der Zunge herum und hoffte, dass seine sehr warmen Wangen nicht so rot waren wie sie sich anfühlten. Er steckte sich eine Locke hinters Ohr.
„... Ich werde nicht sagen 'Mach das nochmal',“ murmelte er. „'Mach das anders' vielleicht.“
Kei rollte sich auf die Seite. Er lächelte leicht und nahm die Hand mit der Colin ihn gerade noch hatte schlagen wollen. Colin ließ ihn, aber konnte ihn nicht direkt ansehen. Kei schloss die Augen und behielt Colins Hand in seiner. Colin drehte sich auf die Seite, auf Kei zu, und musterte ihn stumm.
Der lächelte und schien fast zu schlafen.
Nach einer Weile machte auch Colin die Augen zu und driftete weg.